Kontrolle verloren?
Service
„Kontrolle verloren?"
Die meisten Motorradfahrer sind nicht für die Kurve zu schnell, sondern für Blickführung und Linie. Als zu schnell in der Zeitung stehen sie trotzdem.
„Bald rasen sie wieder" ist eine der beliebtesten Schlagzeilen der Tagespresse zum jetzt glücklicherweise nahenden Frühjahr. Von wenig Sachverstand getrübt, effekthaschend, Vorurteile bedienend, da hat sich in den letzten 40 Jahren wenig geändert. Wie bereits in den 80er-Jahren wird schon mal präventiv draufgehauen. Nicht mehr nur im Print, mittlerweile gibt es Gleiches auch online, vielfach multipliziert durch das, was ein Kolumnistenkollege beim Spiegel erst kürzlich die „asozialen Medien" nannte. Quasi der wohl durchaus beabsichtigte Widerhall von denjenigen, die mit ebenso wenig Wissen, aber umso mehr Meinung einstimmen in den Chor derer, die es schon immer gewusst haben. „Jetzt titeln sie wieder" , könnte man sagen. Auch ein Vorurteil? Nicht ganz, mehr eine auf Erfahrungen beruhende Vorahnung.
Leider stimmen gerne ausgerechnet die mit ein, die der Verkehrssicherheit dienen wollen, sie sogar im Namen tragen. Wie oft sehen wir an kurvigen Straßen Schilder wie „Raser sterben früher", „Hier lauert der Tod" oder auch „Schnell ist schnell zu schnell". Wer soll sich da angesprochen fühlen? Niemand gibt zu, zu schnell zu fahren, zu rasen gar. Oder die Zeichnung einer Kurve, mit dem Text „Unfallschwerpunkt". Was bitte hat das mit mir zu tun, wenn die anderen hier verunfallen? Sollen die doch aufpassen!
Wie wäre es alternativ mal mit einem Plakat mit Bild aus der Sicht des Motorradfahrers, mit Blickrichtung Kurvenausgang und der Aufforderung „Blick hoch Richtung Kurvenausgang!"? Ganz in der Tradition positiver Verstärkung, wie Bernt Spiegel es in seinem Buch „Die obere Hälfte des Motorrads" propagiert hat. Oder ganz einfach: „Denk dran, Blickführung, Lenkimpuls!" Das würde zumindest all jene, die diese Grundfertigkeiten in Fahrschule oder Training schon vermittelt bekamen, daran erinnern. Und die anderen vielleicht neugierig machen. Das wäre doch allemal besser, als Abwehrhaltungen zu erzeugen. Da heißt es außen bleiben, so weit wie möglich um die Kurve schauen, runterdrücken, Nerven behalten
Und hätte vielleicht den Biker gerettet, der im Herbst vergangenen Jahres am Jochpass bergab in einer Rechtskurve in den Gegenverkehr geraten, mit einem Auto kollidiert und anschließend über die Mauer in die Bäume abgeflogen ist. Dank des Geästs hat er den Stunt überlebt. Sogar auf Spiegel online fand sich diese Meldung, mit den üblichen Formulierungen. Er „verlor aus unbekannter Ursache die Kontrolle über die Maschine" , hieß es. Und es komme auf der „bei Motorradfahrern sehr beliebten Strecke immer wieder zu Unfällen", die Ursache sei oft „zu schnelles Fahren und Missachten des Überholverbotes".
Es ist zum Verzweifeln: Auch dieser, besonders dieser, Unfall dürfte sehr wahrscheinlich nicht auf zu schnelles Fahren, sondern auf inkorrekte Linienwahl und falsche wie zu kurze Blickführung zurückzuführen sein. Innen angefahren, kein Lenkimpuls, Angst bekommen, Schräglage verringert, Auto angestarrt und - bumm! Die Kurven dort sind breit, aber unübersichtlich, manche wollen gefühlt nie enden. Da heißt es außen bleiben (auf der eigenen Fahrbahnseite natürlich) , dass man überhaupt etwas sieht, so weit wie möglich um die Kurve schauen, runterdrücken, Nerven behalten. Und sich Schräglage zutrauen.
Wer hier alles falsch macht, kann ohne Überschreitung des Tempolimits im Gegenverkehr landen, kein Problem. Also Leute, bitte geht dieses Jahr mal zu einem professionellen Kurventraining und trainiert Lenkimpulstechnik, Kurvenlinie, Blickführung, Schräglage! Das macht dann nicht nur mehr Spaß, ihr werdet auch nicht zum Helden in Artikeln über angeblich zu schnelles Fahren.
7/2025 Motorrad